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Buchbinden in Klasse 11 und 12
Der Handarbeitsunterricht bekommt in der 11. und 12. Klasse einen ganz neuen Aspekt durch die Arbeit mit Papier und Pappe. In den vorangegangenen Schuljahren fand dieses Material vorwiegend für die Entwurfsarbeit und Schnittmuster Verwendung. Nun sollen die Schüler Papier und Pappe als eigen-ständigen Werkstoff kennen lernen und ihre Anwendungsmöglichkeiten verstehen. Als alltägliches Ge- und Verbrauchsmaterial steht Papier heute völlig selbstverständlich jedem in beliebiger Menge zur Verfügung. Für Faltarbeiten, von Sternen oder geometrischen Körpern bis zu Papierfliegern, konnten Schüler in den unteren Klassenstufen bereits vielfältige Erfahrungen mit Papier sammeln, ohne sich dabei die besonderen Eigenschaften des Materials wirklich bewusst zu werden. Gewöhnlich beachtet man es kaum, es gilt als ausgesprochenes Wegwerfmaterial, scheint wenig dauerhaft und in seinem Gebrauchswert äußerst begrenzt.
Kartonagearbeiten und Bücher sind heute sehr billig industriell herzustellen, daher kann es nicht der Sinn der Buchbindearbeiten sein, hierzu in Konkurrenz zu treten. Es geht um die Wirkung, die von einem sachgerechten Umgang mit dem Material ausgeht. Dabei werden die Schüler in ganz bestimmter Weise gefordert, nicht nur im fertigen Endprodukt liegt das pädagogische Ziel, sondern auch im Entstehungsprozess.
Kartonagearbeiten in der 11. Klasse
Die beiden Epochen Kartonagearbeiten in Klasse 11 und Buchbinden in Klasse 12, bauen aufeinander auf. Die neuen Werkstoffe kennenzulernen und ihre Eigenschaften wahrzunehmen und unterscheiden zu lernen, bedeutet Schärfung der Sinne und des Urteils. Die strenge Technik des Buchbindens mit ihren von einander abhängigen und aufeinander aufbauenden Handgriffen verlangt und schult Disziplin im Denken und Handeln. Sie bietet den Schülern die Möglichkeit, alle Stufen einer Entwicklungsreihe vor Augen zu haben, sie vor- und rückwärts abzuschreiten, kontrollieren und verbessern zu können.
Der nächste Schritt kann nicht getan werden, wenn der vorhergehende nicht in Ordnung ist. Der Schüler erkennt aus der Sache selbst die Gesetze, nach denen sich die Arbeitsgänge gliedern müssen.
Auf den ersten Blick scheint für die meisten Schüler die Arbeit mit Pappe und Papier eine leichte Sache zu sein. Das Material verlangt als fertiges Produkt keine große körperliche Kraftanstrengung, wie sie etwa für Holz, Ton oder Steinarbeiten notwendig ist. Andererseits fehlt ihm auch auf den ersten Blick der lebendige, ausdrucksvolle Charakter, den man sonst bei Naturmaterialien kennt.
Gibt man den Schülern zu Beginn der Epoche ohne einen bestimmten Arbeitsauftrag Papier und Pappe in die Hand, wissen sie oft wenig damit anzufangen. Sie biegen, knicken, zerreißen die Stücke, ohne sich näher damit auseinander zusetzen. Werden sie aufgefordert die Materialproben gezielt zu untersuchen, z.B. zu tasten oder mit Wasser zu befeuchten, gibt das Material doch noch einige seiner Eigenschaften preis.
Eine der ersten Arbeiten, die die Schüler im Buchbinden anfertigen, ist eine Mappe oder ein Fotoalbum. Neben der exakten handwerklichen Ausführung wird auf die farbliche und formale Gestaltung Wert gelegt. Ausgewogene Proportionen sind genauso wichtig wie die farbliche Abstimmung von Papier und Gewebe. Eine Steigerung ist die Herstellung eines Kästchens, da die Schüler für einen konkreten, selbstgewählten Inhalt die entsprechende Größe und Form finden müssen. Da Kästchen räumliche Gebilde darstellen und dazu noch aus einer größeren Zahl verschiedener Einzelteile zusammengesetzt werden, tauchen bei dieser Arbeit ganz neue Probleme auf, die nur durch sehr gründliche Vorplanung bewältigt werden können. Irrtümer sind jedoch hier als auch bei den anderen Arbeiten heilsam. Sie machen wach machen und lenken das Bewusstsein auf die Sache und die Schüler werden durch diese korrigiert.
Während der Durchführung der praktischen Arbeiten wird die Handhabung der neuen Werkstoffe Pappe, Papier, Gewebe und Klebstoff erklärt. Des weiteren lernen die Schüler die notwendigen Werkzeuge und Maschinen (Pressen und Schneidemaschinen) kennen und handhaben.
Buchbindearbeiten in der 12. Klasse
Während in der Kartonageepoche der 11. Klasse der Schwerpunkt der Arbeit auf der sorgfältigen Herstellung von Gebrauchsgegenständen liegt, umfasst die Epoche der 12. Klasse das Buchbinden im eigentlichen Sinne. Obwohl die Materialien denen der 11. Klasse entsprechen, handelt es sich doch um eine völlig neue Aufgabe. Während bei den Kartonagearbeiten der Inhalt im Allgemeinen auswechselbar ist und nur in lockerer Beziehung zu der Umhüllung steht, bilden beim Buch Inhalt und Einband eine feste, dauerhafte Verbindung, die als zusammengehöriges Ganzes erlebt wird.
Beim Buchbinden ist das pädagogische Ziel nicht das fertige Buch, sondern in der Arbeit an sich selbst, das eigene Tätigsein. Der Schüler kann die vielen Arbeitsschritte vom Heften des Buchblockes bis zum Herstellen des Einbandes nachvollziehen und ausführen. Erst wenn er diesen langwierigen Arbeitsprozess beherrscht, steht als Endprodukt das Buch da.
Da fertig bedruckte Rohbögen fast nicht zu beschaffen sind, arbeiten die Schüler mit leeren Bögen und stellen ein Schreibbuch her. Es wird wahlweise mit Halb- oder Ganzleineneinband gearbeitet. Dieses Buch ist trotz äußerlicher Vollendung unfertig, weil ihm das Eigentliche, der Inhalt fehlt. Die Schüler werden zwar angeregt, es als Tagebuch oder Gedichtband zu verwenden, aber es besteht oft eine Scheu in das erste selbstgebundene Buch zu schreiben. Wenn es die Epochenlänge zu lässt, werden noch andere Buchformen wie klebegebundene Bücher, japanische Hefttechniken oder mittelalterliche Bücher so genannte Koperten hergestellt. Damit können begleitend zur Epoche Beziehungen zu den Anfängen der Buchbindekunst sowie zur Geschichte der Herstellung von Papier geknüpft werden.
Gundula Hahn-Keuler (l)